Das eigene Blut als Heilmittel: Die PRP-Behandlung und ihre Versprechen
Die PRP-Therapie gilt als Hoffnungsträger für die Regeneration von Gelenken, die Hautverjüngung und die Behandlung von Haarausfall. Doch was steckt wirklich hinter dieser vielversprechenden Eigenbluttherapie, und welche wissenschaftlichen Belege untermauern ihre Wirksamkeit?
Grundlagen der PRP-Behandlung
Die Behandlung mit thrombozyten- oder plättchenreichem Plasma (PRP) ist eine Form der Eigenbluttherapie, die darauf abzielt, die natürlichen Heilungsprozesse des Körpers zu beschleunigen und zu verstärken. Sie nutzt eine konzentrierte Lösung von Thrombozyten (Blutplättchen), die aus dem eigenen Blut des Patienten gewonnen wird. Diese Thrombozyten sind reich an Wachstumsfaktoren und Proteinen, die essentiell für die Gewebereparatur und -regeneration sind.
Die Anwendung von PRP ist die am intensivsten untersuchte Methode der Eigenbluttherapie. Gegenwärtig existieren allerdings viele unterschiedliche PRP-Produkte und Verabreichungsprotokolle, was einen Vergleich verschiedener Verfahren erschwert.
So funktioniert die PRP-Eigenbluttherapie
Bei der PRP-Behandlung wird dem Patienten Blut entnommen und anschließend zentrifugiert. Dadurch trennt sich das Vollblut in verschiedene Schichten auf. Die Schicht mit dem Plasma und den Thrombozyten wird isoliert, um die Thrombozyten zu konzentrieren. Das resultierende Produkt ist das plättchenreiche Plasma (PRP), das dem Patienten erneut injiziert wird.
Wird das PRP zusätzlich „aktiviert“ – zum Beispiel durch Thrombin oder Kalziumchlorid – enthält es neben den zellulären Bestandteilen auch höhere Konzentrationen an körpereigenen Wachstumsfaktoren (z.B. PDGF und TGF-b), Zytokinen (Proteine, die Entzündungen regulieren) und Zelladhäsionsmolekülen wie Fibrin oder Fibronektin.
Es gibt verschiedene Verfahren zur Herstellung und Aktivierung von PRP, wodurch unterschiedliche Präparate entstehen. Diese unterscheiden sich in der Zusammensetzung und Konzentration der Zellen und Inhaltsstoffe, wie etwa reines plättchenreiches Plasma oder leukozyten- und plättchenreiches Plasma.
Der Wirkmechanismus im Detail: Wie PRP die Heilung fördert
Das Konzept von PRP basiert auf der Annahme, dass die erhöhten Konzentrationen von Wachstumsfaktoren und Zytokinen Entzündungsprozesse hemmen und die Bildung von Kollagen und Elastin anregen. Dies soll die Gewebeheilung fördern und schmerzlindernd wirken. Darüber hinaus enthalten PRP-Präparate hohe Konzentrationen an Fibrinogen (Fibrinkleber), was die Wundstabilität erhöht, ein günstiges Gerüst für die Zellmigration schafft und zu einer besseren und schnelleren Knochenregeneration führt. Die verschiedenen Wachstumsfaktoren in PRP wurden in der Übersichtsarbeit von Fioarvanti (2015) zusammengefasst.2
Die unterschiedlichen, nicht standardisierten Herstellungsverfahren führen zu qualitativ und quantitativ unterschiedlichen PRP-Produkten, was möglicherweise die große Heterogenität der klinischen Ergebnisse erklärt.
Anwendungsfelder der PRP-Behandlung: Aktuelle Studienlage
Die PRP-Therapie steht im Rampenlicht für ihr Potenzial, natürliche Heilungsprozesse zu unterstützen. Dieser Überblick untersucht ihre Anwendungsbereiche und was die neuesten Studien über ihre Wirksamkeit aussagen.
1. PRP bei Kniearthrose
Bisher wurde die Anwendung von PRP bei Kniearthrose in den meisten klinischen Leitlinien nicht empfohlen. Die wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit galt als widersprüchlich. In ihrer neuen Leitlinie von 2024 zur Behandlung der Kniearthrose (Gonarthrose) hat die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) diese Einschätzung jedoch aktualisiert.3 Nun wird PRP ein möglicher Nutzen zugeschrieben, und die Methode wird unter bestimmten Voraussetzungen empfohlen. Grundlage dieser Neubewertung sind zahlreiche hochwertige Studien, darunter Metaanalysen und randomisierte kontrollierte Studien (RCTs). Diese zeigen, dass PRP gegenüber Hyaluronsäure (HA) und teilweise auch gegenüber Kortikosteroiden überlegen sein kann.
Laut DGOU kann der „vormals Hauptkritikpunkt der mangelnden Evidenz für PRP-Injektionen (…) in dieser Überarbeitung nicht mehr aufrechterhalten werden“. So zeigte eine Metaanalyse von 2021 mit 18 Studien und insgesamt 811 PRP- und 797 HA-behandelten Patienten klinisch bessere Ergebnisse für PRP.4 Diese Ergebnisse wurden durch weitere Metaanalysen und RCTs bestätigt, besonders bei längerer Nachbeobachtung (6 bis 12 Monate). Die neuen Erkenntnisse führten zu einer Neubewertung, da die frühere Evidenzlage für PRP nun als ausreichend angesehen wird.
Die DGOU weist jedoch weiterhin auf methodische Unterschiede und die Variabilität der PRP-Präparate hin. Diese Unterschiede erschweren eine Vergleichbarkeit. Trotz des positiven Gesamtergebnisses können inkonsistente Resultate auftreten. Diese könnten durch Unterschiede in der Methodik und den PRP-Präparaten bedingt sein. Die Leitlinie gibt abschließend eine offene Empfehlung für PRP bei Patienten, bei denen NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika) nicht angewendet werden können oder nicht ausreichend wirken. Ein spezielles Verfahren zur PRP-Herstellung wird laut DGOU jedoch weiterhin nicht empfohlen.
2. PRP bei Sehnenentzündungen (Epicondylitis)
Laterale Epicondylitis, auch bekannt als „Tennisarm“, ist eine Entzündung der Sehnenansätze an der Außenseite des Ellenbogens. Sie wird oft durch repetitive Bewegungen oder Überlastung verursacht, was zu Schmerzen und Empfindlichkeit in diesem Bereich führt. Zwei neuere Übersichtsarbeiten analysierten randomisierte kontrollierte Studien zur Wirkung von autologem Vollblut (AVB) und plättchenreichem Plasma (PRP) bei lateraler Epicondylitis.
Ein Review aus dem Jahr 2015 verglich die Injektion von AVB, PRP und Kortikosteroiden.1 Die Analyse zeigte, dass PRP die Schmerzen am besten reduzierte. AVB verbesserte hingegen die Behinderungs-Scores und erhöhte die Schmerzdruckschwelle am effektivsten. Allerdings hatte die AVB-Injektion das höchste Risiko für Nebenwirkungen, wie Schmerzen an der Injektionsstelle und Hautreaktionen. Die Nebenwirkungen von PRP und Kortison waren vergleichbar.
Eine weitere Übersichtsarbeit von 2021 verglich ebenfalls AVB und PRP mit Placebo.5 Beide Eigenbluttherapien zeigten hier allerdings keine klinisch relevante Verbesserung bei Schmerz und Funktion. Die Schmerzintensität war unter der Eigenblutbehandlung nur geringfügig um 0,16 Punkte niedriger als bei Placebo. Die Funktion verbesserte sich nur um knapp 2 von 100 Punkten gegenüber Placebo. Diese Ergebnisse sprechen laut Autoren gegen den Einsatz von AVB und PRP bei lateraler Epicondylitis.
3. PRP in der Kieferorthopädie und Zahnheilkunde
In der Kieferorthopädie und Zahnheilkunde wird die Eigenbluttherapie mit PRP zur Unterstützung der Wundheilung eingesetzt, z.B. bei Implantaten und bei der Rekonstruktion von Weich- und Knochengewebe. Dabei wird nur eine geringe Menge des angereicherten Eigenblutes auf die betroffenen Stellen aufgetragen oder injiziert. Die wissenschaftliche Evidenz ist in diesem Bereich so weit fortgeschritten, dass die Eigenblutbehandlung mit angereichertem PRP (hier oft als PRF – platelet rich fibrin – bezeichnet) in den 2022 aktualisierten Leitlinien zur Behandlung der Kiefergelenkluxation empfohlen wird.6 Als seltene Komplikationen nennen die Autoren Fibrosierung oder Knorpelschäden (nach Sklerotherapie oder Eigenbluttherapie).
Die Übersichtsarbeit von Fioravanti (2015) beschreibt verschiedene PRP-Verfahren zur oralen Anwendung und kommt zu dem Schluss, dass PRP eine sichere und kostengünstige Methode zur Bereitstellung von Wachstumsfaktoren für die Knochen- und Weichgewebeheilung in der Zahnmedizin ist.2
4. PRP-Behandlung bei Haarausfall
Haarausfall bei älteren Männern und, seltener, bei Frauen (medizinisch: Alopezie) – also eine fortschreitende Ausdünnung des Kopfhaars bis hin zur Glatzenbildung – kann ebenfalls mit autologem PRP behandelt werden. Dabei wird PRP aus dem venösen Blut der Betroffenen gewonnen und in die betroffenen, haarlosen Hautareale (intradermal) injiziert. Diese Behandlung wird in bestimmten Abständen wiederholt. Die Wirksamkeit wurde in mehreren Übersichtsarbeiten untersucht.
Besonders hervorzuheben ist die Studie von Dervishi et al. (2019).7 Diese Arbeit schloss ausschließlich randomisierte, kontrollierte Studien ein, bei denen die Haardichte gemessen wurde. Auf einer Kopfseite wurde PRP angewendet, auf der anderen Placebo oder keine Behandlung. Das Autorenteam kam zu dem Ergebnis, dass autologes plättchenreiches Plasma die Haardichte bei Männern und Frauen im Vergleich zu Placebo oder keiner Behandlung erhöhen kann. Schwerwiegende kurzfristige unerwünschte Ereignisse wurden nicht beobachtet.
Fazit zur PRP-Behandlung
Die PRP-Therapie bietet eine vielversprechende Möglichkeit, körpereigene Heilungskräfte gezielt zu nutzen. Durch die Injektion von plättchenreichem Plasma werden Wachstumsfaktoren bereitgestellt, die die Regeneration von Knochen- und Weichgewebe fördern. Das Verfahren gilt als sicher und kostengünstig und wird in den aktualisierten Leitlinien zur Behandlung der Kiefergelenkluxation empfohlen.
Besonders positive Ergebnisse zeigen sich bei Kniearthrose. Für einige Anwendungsbereiche bleibt die Datenlage jedoch uneinheitlich, und einige Fragen sind noch offen. Es fehlen standardisierte PRP-Präparate, einheitliche Injektionsschemata sowie verblindete und placebokontrollierte Langzeitstudien. Dennoch bleibt PRP eine faszinierende Perspektive in der modernen Medizin und könnte laut Dervishi et al. (2019) bei androgenetischer Alopezie das Haarwachstum fördern.
- Arirachakaran A, Sukthuayat A, Sisayanarane T, Laoratanavoraphong S, Kanchanatawan W, Kongtharvonskul J. Platelet-rich plasma versus autologous blood versus steroid injection in lateral epicondylitis: systematic review and network meta-analysis. Journal of Orthopaedics and Traumatology. 2016;17:101–12.
- Fioravanti C, Frustaci I, Armellin E, Condò R, Arcuri C, Cerroni L. Autologous blood preparations rich in platelets, fibrin and growth factors. ORAL & Implantology. 2015;8(4):96.
- Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU). S2k-Leitlinie Gonarthrose. Langversion – Juni 2024. AWMF-Register-Nr. 187-050.
- Belk JW, Kraeutler MJ, Houck DA, Goodrich JA, Dragoo JL, McCarty EC. Platelet-Rich Plasma Versus Hyaluronic Acid for Knee Osteoarthritis: A Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials. The American Journal of Sports Medicine. 2021 Jan;49(1):249-260.
- Karjalainen TV, Silagy M, O’Bryan E, Johnston RV, Cyril S, Buchbinder R. Autologous blood and platelet-rich plasma injection therapy for lateral elbow pain. Cochrane Musculoskeletal Group, Herausgeber. Cochrane Database of Systematic Reviews [Internet]. 30. September 2021 [zitiert 4. Dezember 2023];2021(9).
- Leitlinie Kiefergelenkluxation, AWMF online.
- Dervishi G, Liu H, Peternel S u.a. Autologous platelet-rich plasma therapy for pattern hair loss: A systematic review. Journal of Cosmetic Dermatology. Augsut 2019;19(4):827–835.
Gut zu wissen
Fragen und Antworten
PRP steht für „Platelet-Rich Plasma", zu Deutsch „thrombozytenreiches Plasma". Es wird aus nicht geronnenem Blut durch Zentrifugation hergestellt, wodurch die zellulären Bestandteile des Blutes dabei nach Zellgröße getrennt werden. Anschließend wird der Teil des Plasmas isoliert, der die höchste Konzentration an Thrombozyten hat, meist viermal so viele wie normales Blut. Dieses Endprodukt nennt man PRP.
Die Verwendung von PRP bietet mehrere Vorteile. Zum einen ist es einfach und kostengünstig, PRP aus dem eigenen Blut des Patienten zu gewinnen. Zum anderen lässt sich die Dosis der Wachstumsfaktoren durch die Verarbeitungsmethode gezielt steuern. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Injektion von PRP weniger Nebenwirkungen zu haben scheint als die von autologem Vollblut (AVB).1
Quellen:
- Arirachakaran A, Sukthuayat A, Sisayanarane T, Laoratanavoraphong S, Kanchanatawan W, Kongtharvonskul J. Platelet-rich plasma versus autologous blood versus steroid injection in lateral epicondylitis: systematic review and network meta-analysis. Journal of Orthopaedics and Traumatology. 2016;17:101–12.