

Diabetes mellitus, insbesondere Typ 2, ist eine der am weitesten verbreiteten Wohlstandskrankheiten unserer Zeit. Angesichts der steigenden Zahl von Betroffenen ist eine ganzheitliche Betrachtung der Behandlungsmöglichkeiten entscheidend. Neben der klassischen Medizin bieten komplementäre Ansätze vielversprechende Möglichkeiten, um die Gesundheit nachhaltig zu verbessern und das Leben von Diabetikern positiv zu beeinflussen.
Die regelmäßige Überprüfung des Blutzuckerspiegels ist ein essenzieller Bestandteil im Umgang mit Diabetes mellitus Typ 2. Erfahren Sie mehr über die Rolle der Komplementärmedizin bei der Behandlung dieser weitverbreiteten Erkrankung. Foto: Shutterstock
Diabetes mellitus ist ein Überbegriff für eine Stoffwechselstörung, deren Hauptmerkmal ein erhöhter Blutzuckerspiegel ist (chronische Hyperglykämie oder einfach Überzuckerung). Daher rührt auch der landläufige Name ‚Zuckerkrankheit‘ oder ‚Diabetes‘. Es gibt zwei Haupttypen der Erkrankung:
Wenn die Zellen weniger empfänglich für Insulin werden, kann das Hormon seine Aufgabe nicht erfüllen. Diese Insulinresistenz führt zu einer vermehrten Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse, da der Stoffwechsel größere Mengen benötigt, um die Blutzuckerkonzentration zu senken. Es ist bekannt, dass Insulinresistenz vererbt werden kann, aber Diabetes tritt meist nur auf, wenn ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel diese Veranlagung „triggern“.2
Laut dem Robert Koch-Institut wurde in Deutschland bei 7,2 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren Diabetes diagnostiziert, mit einer Dunkelziffer von 2,0 Prozent. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2012 und dürften sich seither erhöht haben.1
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei Diabetes-Typ-1 um eine Autoimmunerkrankung. Fest steht inzwischen auch, dass Typ 1 eine polygene Erkrankung ist, das meint: an ihrer Entstehung sind diverse Gene beteiligt. Mehr als 20 relevante Genorte konnten inzwischen identifiziert werden. Eine familiäre Vorbelastung erhöht das Risiko – weitere intensive Forschungen sind gleichwohl nötig.
Auch die Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetes hat genetische Ursachen. Ohne die Komponenten Übergewicht und Bewegungsmangel bleibt diese Erbanlage jedoch ungenutzt. Wenn alle drei Faktoren zusammenkommen, beginnt eine negative Spirale. Eine Ernährung mit vielen leicht verwertbaren Kohlenhydraten belastet die Bauchspeicheldrüse stark. Insulinresistente Menschen haben ohnehin mehr Insulin im Blut, aber es gelingt immer weniger, das Überangebot an Zucker zu verarbeiten. Es wird mehr Fett, besonders im Bauchraum, eingelagert, was zu weiterem Übergewicht führt. Bewegungsmangel verstärkt das Problem, da der Blutzucker kaum zur Energiegewinnung für die Muskeln verwendet wird. Schließlich erreicht die Bauchspeicheldrüse ihre Kapazitätsgrenze und versagt.2
Eine diffuse Abgeschlagenheit und ein allgemeines Unwohlsein können erste Anzeichen dafür sein, dass die aufgenommenen Kohlehydrate aus der Nahrung irgendwie nicht richtig in den Körperzellen ankommen. Allerdings suchen vermutlich die wenigsten Menschen deshalb gleich Ihren Hausarzt auf. Die Tücke von Diabetes liegt darin, dass die Krankheit sich oft unbemerkt entwickelt und über Jahre hinweg unerkannt bleiben kann. Eine Kombination der folgend genannten Symptome sollte daher Anlass für eine konkrete Untersuchung geben:
Der erhöhte, respektive zu hohe, Blutzuckerspiegel kann durch eine Reihe von Tests bestimmt werden. Es besteht eine internationale Einigung über die Grenzwerte, ab denen die Diagnose Diabetes gestellt wird.3 Bei einem krankhaft über Normal liegenden Blutzuckerlevel scheidet der Organismus Zucker auch über den Urin aus. Mit Teststreifen aus der Apotheke kann ein erster Verdacht zuhause überprüft werden. Laboruntersuchungen des Blutes liefern dann Gewissheit.
Grundsätzlich haben Menschen mit Typ 2 der Zuckerkrankheit eine erhöhtes Risiko für die nachfolgend genannten Erkrankungen:
Übergewicht und Bewegungsmangel sind primäre Risikofaktoren bei Typ-2-Diabetes, denen durch Lebensstiländerungen begegnet werden kann. Die meisten Patienten leiden unter Adipositas und einem inaktiven Lebensstil. Daher konzentriert sich die Standardtherapie zunächst auf Gewichtsreduktion und regelmäßige körperliche Aktivität. Oft beschränken sich Ärzte auf allgemeine Empfehlungen, und Patienten müssen eigenverantwortlich handeln, um ihre Lebensgewohnheiten zu ändern.
Eine professionelle Ernährungsberatung kann dabei unterstützen, einen individuell angepassten und gesunden Ernährungsplan zu entwickeln, der nicht nur auf Gewichtsverlust ausgerichtet ist, sondern auch auf die Aufrechterhaltung eines stabilen Blutzuckerspiegels.
Blutzuckersenkende Medikamente (Antidiabetika) werden in der Regel drei bis sechs Monate nach der Diagnose eingesetzt, wenn Lebensstiländerungen nicht ausreichen. Metformin wird verschrieben, es sei denn, es besteht ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In diesem Fall wird eine Kombination mit SGLT-2-Hemmern oder GLP-1-Analoga empfohlen, die auch zur Gewichtsreduktion beitragen.
Insulin wird erst eingesetzt, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, da es zu einem Teufelskreis aus Gewichtszunahme und steigender Insulindosis führen kann.
Jede medikamentöse Behandlung sollte unter ärztlicher Aufsicht erfolgen und auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden. Regelmäßige Überwachung und Anpassung der Therapie sind wichtig, einschließlich Blutzuckerkontrollen und Überwachung der HbA1c-Werte.
Die Konvergenz von komplementärmedizinischen Perspektiven und konventionell-medizinischen Ansätzen ist bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes besonders ausgeprägt, insbesondere in Bezug auf die Betonung von regelmäßiger körperlicher Aktivität und Ernährungsumstellung. Die Naturheilkunde erweitert diesen Ansatz um Aspekte des gesteigerten Körperbewusstseins, beispielsweise durch die Integration von Yoga und Atemtherapien. Beide Richtungen – die komplementärmedizinische und die schulmedizinische – verfolgen jedoch grundlegend dasselbe Ziel: die Förderung von Gewichtsverlust und den Aufbau von Muskulatur, welche zur Glukoseverwertung beiträgt.
Ein zentrales Hindernis in der Prävention und Behandlung von Typ-2-Diabetes liegt darin, dass eine hochkalorische Ernährung und ein Mangel an körperlicher Aktivität besonders in solchen Bevölkerungs- und Patientengruppen verbreitet sind, die traditionell eine geringere Offenheit für komplementär- und alternativmedizinische (KAM) Ansätze aufweisen. Vor diesem Hintergrund sind Ärzte mit einem Schwerpunkt in der Naturheilkunde besonders dazu aufgerufen, eine proaktive Rolle zu übernehmen. Sie sollen nicht nur Lebensstiländerungen initiieren und empfehlen, sondern auch eine kontinuierliche Unterstützung und Begleitung ihrer Patienten sicherstellen, um nachhaltige Verbesserungen im Umgang mit Typ-2-Diabetes zu erzielen.
Ballaststoffreich und kohlenhydratarm – auf diese Kurzformel lässt sich eine optimale Ernährung bei Diabetes bringen. Im Prinzip sind weder strikte Verbote oder unbedingte To-Do’s nötig, es kommt auf die Menge an. Einfache Kohlenhydrate, wie sie beispielsweise in Süßigkeiten und Softdrinks stecken, lassen den Blutzuckerspiegel regelrecht hochschießen. Ballaststoffreiche Lebensmittel (Vollkornbrot, Hülsenfrüchte, Gemüse, Nüsse und Samen) freuen den Darm und bewirken ein längeres Sättigungsgefühl.
Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nutrition & Diabetes, zeigt zudem, dass eine Ernährung reich an Flavonoiden, wie sie in Beeren, Äpfeln, Zwiebeln, grünem und schwarzem Tee vorkommen, das Risiko für Typ-2-Diabetes signifikant senken kann.12 Teilnehmer der Studie mit hoher Flavonoid-Aufnahme hatten ein um 28 % geringeres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung flavonoidreicher Lebensmittel in der Prävention und Behandlung von Diabetes. Weitere Informationen und Details zu dieser Studie finden Sie in unserem Artikel zum Thema Flavonoide gegen Diabetes.
Ein zentrales Element im Management von Diabetes und Übergewicht ist die Implementierung von fünf- bis sechsstündigen Essenspausen, die als kurze Fastenintervalle dienen. Diese Phasen fördern die Umstellung des Körpers auf Fettverbrennung. Es wird empfohlen, solche Ernährungsanpassungen in Absprache mit dem behandelnden Arzt vorzunehmen, um eine individuell angepasste und gesundheitlich sichere Umsetzung zu gewährleisten.
Fastentherapien können eine deutliche Verbesserung der Insulinresistenz bewirken, die über die tatsächliche Fastenzeit hinaus nachweisbar ist. Die Daten stammen gleichwohl aus unkontrollierten Studien und bedürfen einer weiteren Untermauerung. Diabetiker mit laufender Medikation dürfen eine solche Therapie jedoch nur unter strenger ambulanter oder gar stationärer Aufsicht durchführen – um die Gefahr von Hypoglykämien (Unterzuckerung) abzuwehren.6
Auch Hafertage können als Kurzkur bei Diabetes die Empfänglichkeit der Körperzellen für Insulin nachhaltig verbessern. Eine eventuelle Monotherapie mit Metformin kann in diesem Fall jedoch unverändert fortgeführt werden.
Muskeln benötigen für ihren Aufbau und ihre Leistung Energie in Form von Glukose. Die Gleichung ist also recht einfach: Je mehr Muskeln regelmäßig beansprucht werden, desto mehr Glukose wird verbraucht und desto schneller sinkt der Blutzuckerspiegel. Für Diabetiker eignet sich besonders ein regelmäßiges Ausdauertraining mit am besten vier Einheiten pro Woche. Da die Muskulatur bis zu 48 Stunden nach einer Trainingseinheit noch Blutzucker „zieht“, lässt sich auf diese Weise eine dauerhafte Absenkung des Blutzuckerlevels erreichen.
Von diesem Ideal einmal abgesehen, hilft jede Art von Sport oder körperlicher Betätigung bei Typ-2-Diabetes, da in jedem Fall überschüssiger Zucker verbraucht wird. Die Studienlage zu Yoga kann noch nicht als erschöpfend bezeichnet werden, gleichwohl deuten die bislang vorliegenden Ergebnisse auf positive Effekte bei den objektiven Parametern der Zuckerkrankheit hin – konkret: Nüchternglukose, HbA1c-Wert und Insulinresistenz.7
Die Phytotherapie konzentriert sich auf die Verbesserung der Insulinresistenz bei Diabetes durch den Einsatz pflanzlicher Wirkstoffe, anstatt primär die Insulinausschüttung zu stimulieren. Einige herausragende Pflanzen in diesem Bereich sind Bittermelone, Ingwer, Zimt und Sanddornbeeren:
Bittermelone (Momordica charantia), auch als Bittergurke bekannt, wird im asiatischen Raum seit Jahrhunderten als Heilmittel verwendet. Die unreifen Früchte enthalten Peptide, die insulinähnliche Effekte haben können. Eine offene Beobachtungsstudie zeigte, dass eine Behandlung mit Bittermelonen-Pulver über ein halbes Jahr den Blutglukosespiegel um 25 Prozent und den HbA1c-Wert um 0,5 Prozent senken kann.
Wissenschaftler der Universität Sydney konnten bei Diabetes-Patienten zudem den blutzuckersenkenden Effekt von Ingwerwurzel (Zingiber officinale) nachweisen. Konkret: den des Inhaltsstoffs Gingerole. Gingerole stimuliert die Produktion des Eiweißes GLUT4, das sich auf der Oberfläche der Muskelzellen verteilt – und als sogenanntes Membran-Transport-Protein den Glukosetransport in die Zellen anschiebt und beschleunigt. Der optimierte „Abtransport“ hält den Blutzuckerspiegel niedrig.9
Eine aktuelle Studie, veröffentlicht im American Journal of Clinical Nutrition, zeigt, dass auch Zimt (Cinnamomum spec.) den Blutzuckerspiegel bei Erwachsenen mit Adipositas und Prädiabetes signifikant senken kann.15 In einer 10-wöchigen, randomisierten, doppelblinden Crossover-Studie mit 18 Teilnehmern führte die tägliche Einnahme von 4 g Zimt zu einer signifikanten Reduzierung der 24-Stunden-Glukosekonzentrationen und verbesserte die Insulinsensitivität. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Zimt als kostengünstige und praktikable Ergänzung zur Verzögerung der Entwicklung von Typ-2-Diabetes eingesetzt werden könnte. Da Zimt jedoch Cumarin enthält, das in hohen Dosen toxisch sein kann, ist Vorsicht geboten. Weitere Informationen finden Sie im Artikel „Neue Studie: Zimt senkt Blutzuckerspiegel bei Prädiabetes und Adipositas“.
Auch eine umfassende Übersichtsarbeit in der Fachzeitschrift Nutrients hebt die Wirksamkeit mediterraner Kräuter wie Zimt, Ingwer und Schwarzkümmel hervor.13 Diese Kräuter können den Blutzuckerspiegel bei Typ-2-Diabetes signifikant senken. Die Studie zeigt, dass Schwarzkümmel und Ingwer zu den vielversprechendsten pflanzlichen Regulatoren gehören, die den Nüchternblutzuckerspiegel und den HbA1c-Wert deutlich verbessern. Diese Kräuter bieten eine wertvolle Ergänzung zu konventionellen Therapien und könnten Diabetikern helfen, ihren Blutzuckerspiegel besser zu kontrollieren. Weitere Details finden Sie im Artikel zum Thema pflanzliche Heilmittel bei Diabetes.
Eine neue Studie der Memorial University in Neufundland, Kanada, hebt die gesundheitlichen Vorteile von Sanddornbeeren (Hippophae rhamnoides) hervor, insbesondere bei Diabetes und Fettleibigkeit.14 Diese Beeren sind reich an Antioxidantien und bioaktiven Substanzen, die helfen können, oxidative Schäden und Entzündungen zu reduzieren. Die Studie zeigt, dass Sanddornextrakte Enzyme wie α-Glucosidase hemmen können, was zu einer langsameren Aufnahme von Kohlenhydraten und einem stabileren Blutzuckerspiegel führt. Darüber hinaus schützen sie LDL und DNA vor oxidativen Schäden und unterstützen die Stoffwechselgesundheit. Sanddorn könnte somit eine vielversprechende Rolle bei der Verbesserung der Insulinsensitivität und der Unterstützung der Gewichtsabnahme spielen. Weitere Details finden Sie im Artikel „Sanddornbeeren: Neue Hoffnung bei Diabetes und Fettleibigkeit“.
Die Ozontherapie, angewendet nach dem Niedrig-Dosis Konzept, kann eine unterstützende Rolle in der Behandlung von Diabetes-bezogenen Komplikationen spielen, insbesondere bei Durchblutungsstörungen und Hautulzera wie dem diabetischen Fuß. Diese Methode zielt darauf ab, die Sauerstoffversorgung zu verbessern und das Immunsystem zu aktivieren, um entzündliche Prozesse zu regulieren.11 Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Ozontherapie als eine ergänzende Behandlungsform angesehen werden sollte, die sorgfältig und in Absprache mit einem erfahrenen Arzt oder einem qualifizierten Experten in Erwägung gezogen werden muss.
Eine homöopathische Therapie kann die schulmedizinische medikamentöse Behandlung bei Typ-2-Diabetes nicht ersetzen – als komplementärmedizinischer Baustein kann sie diese aber sehr wohl ergänzen. In einer kleinen Studie konnten chinesische Wissenschaftler nachweisen, dass die Kontrolle der Blutzuckerwerte im Teamplay deutlich besser gelang. Und: Je ausgeprägter die Krankheit bei Patienten war, desto stärker fiel der Effekt der homöopathischen Therapie ins Gewicht. 27 Patienten im Alter von 37 bis 84 Jahren erhielten ein halbes Jahr lang zusätzlich zur Standardtherapie individuell abgestimmte homöopathische Mittel. Die Kontrollgruppe wurde nur schulmedizinisch behandelt. Ein Jahr später lagen die Nüchternglukose- und die HbA1c-Werte der Kombi-Gruppe „signifikant“ unter denen der Kontrollgruppe.10
Immer mehr und vor allem jüngere Menschen erkranken an Typ-2-Diabetes. Internationale Statistiken kommen zu dem Ergebnis, dass die Zuckerkrankheit im Durchschnitt sechs Lebensjahre kostet. Wobei der Grundsatz gilt: Je früher die Erkrankung auftritt, desto mehr schwindet die Lebenserwartung. Deshalb ist es umso wichtiger, Diabetes möglichst vorzubeugen und mit geeigneten Strategien den tatsächlichen Ausbruch der Erkrankung zu verzögern. Schulmediziner sind ebenso wie naturheilkundlich ausgerichtete Ärzte gut beraten, bei Verdacht auf die Typ-2-Variante ihren Patienten durchaus drastisch darzulegen, welche Konsequenzen ein unveränderter Lebensstil mit sich bringt. So lässt sich in einigen Fällen möglicherweise noch die sprichwörtliche Reißleine ziehen.