Abnehmen mit dem Glukose-Trick: Was steckt hinter der Methode?

Ein neuer Ernährungstrend sorgt für Aufmerksamkeit: der Glukose-Trick. Entwickelt von der französischen Biochemikerin Jessie Inchauspé, soll die Methode helfen, durch eine stabile Blutzuckerkurve Heißhunger zu vermeiden und leichter abzunehmen. Doch was steckt wirklich dahinter?

Frau mit Glukose-Monitor am Oberarm, liest auf ihrem Smartphone. Der Glukose-Trick, ein Ernährungstrend, hilft durch die Stabilisierung des Blutzuckerspiegels beim Abnehmen und zur Vermeidung von Heißhunger. Glukose-Sensoren sind zentrale Tools der Methode.

Ein Glukose-Monitor kann dabei helfen, Blutzuckerspitzen zu vermeiden und den Stoffwechsel zu optimieren – ein zentraler Aspekt des Glukose-Tricks. Foto: Shutterstock

Die Idee hinter dem Glukose-Trick

Der sogenannte „Glukose-Trick“ ist eine Ernährungsmethode, die von der französischen Biochemikerin Jessie Inchauspé entwickelt wurde. Ihr Buch Glucose Revolution (deutsch: „Der Glukose-Trick – Schluss mit Heißhunger, schlechter Haut und Stimmungstiefs“) wurde ein internationaler Bestseller. Unter dem Namen „Glucose Goddess“ teilt Inchauspé ihre Ansätze auch über soziale Medien und bietet zusätzlich Online-Kurse, Nahrungsergänzungsmittel und eine App an.1,2,3

Die Kernidee des Glukose-Tricks lautet: Blutzuckerspitzen vermeiden. Je flacher die Glukosekurve, desto besser für die Gesundheit. Dabei sei weniger entscheidend, was man isst, sondern vielmehr in welcher Reihenfolge. Das Ziel ist, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten, um Heißhungerattacken zu verhindern und den Stoffwechsel zu optimieren.

Zu den zehn Empfehlungen („Hacks“), die Inchauspé vorschlägt, gehören unter anderem:

  • Vor einer Mahlzeit verdünnten Apfelessig trinken.
  • Lebensmittel in einer bestimmten Reihenfolge essen: zuerst Ballaststoffe (z. B. Gemüse), dann Proteine und Fette, zuletzt Kohlenhydrate.
  • Leichte Bewegung nach dem Essen, wie ein kurzer Spaziergang.

Warum der Glukose-Trick beim Abnehmen helfen soll

Die Empfehlungen des Glukose-Tricks zielen darauf ab, Blutzuckerspitzen nach dem Essen zu reduzieren. Ein erhöhter Blutzuckerspiegel führt zu einer verstärkten Insulinausschüttung, die wiederum die Fettverbrennung hemmt. Wird der Blutzuckerspiegel hingegen stabil gehalten, bleibt auch der Insulinspiegel konstant – was laut der Methode das Abnehmen erleichtern soll.

Die Effekte der einzelnen Empfehlungen im Überblick:

  1. Apfelessig: Soll Enzyme im Darm hemmen, die Kohlenhydrate in Zucker umwandeln.
  2. Essensreihenfolge: Die Zufuhr von Ballaststoffen, Proteinen und Fetten vor den Kohlenhydraten soll die Magenentleerung verlangsamen und damit die Aufnahme von Glukose ins Blut verzögern.
  3. Bewegung: Leichte Aktivität nach dem Essen erhöht den Glukoseverbrauch in den Muskeln und hilft, Blutzuckerspitzen vorzubeugen.

Glukose-Trick im Check: Was sagt die Forschung?

Die wissenschaftliche Datenlage zum Glukose-Trick ist für die drei beschriebenen Empfehlungen unterschiedlich:

1. Behauptung: Apfelessig vor dem Essen senkt den Blutzucker

Tatsächlich zeigt eine Studie, dass sich Apfelessig positiv auf den Blutzuckerspiegel auswirken kann.4 Allerdings hatte die Studie nur eine sehr kleine Teilnehmerzahl (n=29) und bezog sich auf Menschen mit Typ-2-Diabetes. Insgesamt bleibt die wissenschaftliche Evidenz für die Wirkung von Apfelessig schwach, und es sind weitere Studien notwendig.

2. Behauptung: Die Reihenfolge der Nahrungsaufnahme beeinflusst den Blutzuckerspiegel

Zwei Studien deuten darauf hin, dass die Reihenfolge, in der Lebensmittel verzehrt werden, den Blutzucker beeinflussen kann. Eine Untersuchung mit 16 Typ-2-Diabetikern zeigte, dass der Blutzuckeranstieg nur etwa halb so stark war, wenn die Mahlzeit mit Proteinen und Gemüse begonnen und erst danach Kohlenhydrate gegessen wurden.5 Eine weitere Studie mit 15 Personen mit Prädiabetes bestätigte, dass der Blutzuckeranstieg deutlich geringer ausfiel, wenn das Essen mit Gemüse oder Proteinen begann, statt mit Kohlenhydraten.6

Allerdings wurden beide Studien mit kleinen Stichproben und ausschließlich erkrankten Personen durchgeführt. Es bleibt unklar, ob die Ergebnisse auf gesunde Menschen übertragbar sind. Zudem spielt die Gesamtzusammensetzung einer Mahlzeit eine entscheidende Rolle: Die Kombination von Kohlenhydraten mit Ballaststoffen, Proteinen und Fetten führt unabhängig von der Reihenfolge oft zu einer flacheren Glukosekurve.

3. Behauptung: Bewegung nach dem Essen ist gesund

Das Sprichwort „Nach dem Essen sollst du ruh’n oder 1000 Schritte tun“ deutet es bereits an: Bewegung nach einer Mahlzeit ist besser als Ruhen. Studien belegen, dass schon ein kurzer Spaziergang von fünf bis zehn Minuten den Blutzuckerspiegel senken, die Verdauung fördern und weitere gesundheitliche Vorteile bieten kann.7,8,9

Kritik am Glukose-Trick: Wie sinnvoll ist die Methode wirklich?

Ein stabiler Glukosespiegel ohne extreme Blutzuckerschwankungen ist zweifellos gut für die Gesundheit – das ist keine neue Erkenntnis. Studien zeigen, dass ein ausgeglichener Blutzuckerspiegel Heißhungerattacken vorbeugen und ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl fördern kann. Starke Schwankungen hingegen können langfristig zu Gewichtszunahme führen.

Doch ist der „Glukose-Trick“ tatsächlich eine fundierte Methode, um abzunehmen? Während die Empfehlung, nach dem Essen in Bewegung zu bleiben, wissenschaftlich gut belegt ist, gibt es Zweifel an den anderen Aspekten.

Kritikpunkte an der Methode:

  • Die Idee, dass die Reihenfolge der Nahrungsaufnahme den Blutzucker maßgeblich beeinflusst, ist umstritten. Im Magen wird die Nahrung ohnehin vermischt, wodurch die Reihenfolge letztlich kaum eine Rolle spielt. Entscheidend ist die Gesamtzusammensetzung der Mahlzeit: Werden einfache Zucker (wie Trauben-, Rohr- oder Fruchtzucker) reduziert und Kohlenhydrate mit Ballaststoffen, Proteinen und Fetten kombiniert, bleibt die Blutzuckerkurve flacher.
  • Der Blutzuckerspiegel reagiert von Person zu Person unterschiedlich auf dasselbe Nahrungsmittel, wie Studien wie das „Personalized Nutrition Project“ und Berry et al. (2020) zeigen.10,11 Allgemeine Ernährungsempfehlungen oder „Hacks“ sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden.
  • Die kontinuierliche Überwachung des Blutzuckerspiegels mithilfe eines Sensors, wie von der Autorin empfohlen, ist für gesunde Menschen weder notwendig noch sinnvoll. Übermäßiges Tracking kann in manchen Fällen sogar zu zwanghaftem Verhalten oder Essstörungen führen.

Fazit

Die Kernthese des Glukose-Tricks – das Vermeiden von Blutzuckerspitzen – sowie Empfehlungen wie der Verzehr von mehr Gemüse und Bewegung nach dem Essen sind durchaus sinnvoll und werden auch von Ernährungsexperten unterstützt. Für spezifische Ansätze wie die vorgeschriebene Essensreihenfolge oder den Konsum von Apfelessig gibt es jedoch bislang keine umfassende wissenschaftliche Bestätigung.

Bei stoffwechselgesunden Menschen ist eine dauerhafte Überwachung des Blutzuckerspiegels in der Regel nicht notwendig, da eine ausgewogene Ernährung den Stoffwechsel bereits auf natürliche Weise unterstützt. Langfristig ist ein ausgewogener Ernährungsansatz nachhaltiger und effektiver als restriktive Diäten.

Quellen anzeigen
  1. Amazon. Der Glukose-Trick: Schluss mit Heißhunger, schlechter Haut und Stimmungstiefs – Wie man der Achterbahn des Blutzuckerspiegels entkommt. Abgerufen am 10.01.2025.
  2. Offizielle Webseite. Glucose Goddess Website. Abgerufen am 10.01.2025.
  3. Instagram Profil. Glucose Goddess Instagram. Abgerufen am 10.01.2025.
  4. Johnston CS, Kim CM, Buller AJ. Vinegar improves insulin sensitivity to a high-carbohydrate meal in subjects with insulin resistance or type 2 diabetes. Diabetes Care. 2004 Jan;27(1):281-2.
  5. Shukla AP, Andono J, Touhamy SH, et al. Carbohydrate-last meal pattern lowers postprandial glucose and insulin excursions in type 2 diabetes. BMJ Open Diabetes Research & Care. 2017 Sep 14;5(1):e000440.
  6. Shukla AP, Dickison M, Coughlin N, et al. The impact of food order on postprandial glycaemic excursions in prediabetes. Diabetes, Obesity and Metabolism. 2019 Feb;21(2):377-381.
  7. Hijikata Y, Yamada S. Walking just after a meal seems to be more effective for weight loss than waiting for one hour to walk after a meal. International Journal of General Medicine. 2011;4:447-50.
  8. Kang J, Fardman BM, Ratamess NA, et al. Efficacy of Postprandial Exercise in Mitigating Glycemic Responses in Overweight Individuals and Individuals with Obesity and Type 2 Diabetes-A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrients. 2023 Oct 23;15(20):4489.
  9. Engeroff T, Groneberg DA, Wilke J. After Dinner Rest a While, After Supper Walk a Mile? A Systematic Review with Meta-analysis on the Acute Postprandial Glycemic Response to Exercise Before and After Meal Ingestion in Healthy Subjects and Patients with Impaired Glucose Tolerance. Sports Medicine. 2023 Apr;53(4):849-869.
  10. Zeevi D, Korem T, Zmora N, et al. Personalized Nutrition by Prediction of Glycemic Responses. Cell. 2015 Nov 19;163(5):1079-1094.
  11. Berry SE, Valdes AM, Drew DA, et al. Human postprandial responses to food and potential for precision nutrition. Nature Medicine. 2020 Jun;26(6):964-973.
Dr. Markus Numberger, promovierter Neurowissenschaftler und medizinischen Fachautor, spezialisiert auf molekulare Neurobiologie, Komplementär- und Integrativmedizin sowie medizinische Kommunikation. Dr. rer. nat. Markus Numberger
Mit einer beeindruckenden Laufbahn, die ihn unter anderem ins Labor des Medizin-Nobelpreisträgers Bert Sakmann führte, ist Dr. Markus Numberger ein herausragender Experte in molekularer Neurobiologie. Seine wissenschaftliche Neugier und sein tiefgründiges Fachwissen, ergänzt durch Forschungsaufenthalte in den USA und an der Charité Berlin, ermöglichen es ihm, die Komplexität der Komplementär- und Integrativmedizin verständlich zu vermitteln.
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