Warum manche 80-Jährige ein Gedächtnis wie 50-Jährige haben: Das Geheimnis der Super-Ager

Warum bleiben manche Menschen geistig topfit, während andere im gleichen Alter mit Gedächtnisproblemen kämpfen? Forschende der Northwestern University haben eine Gruppe außergewöhnlicher Senioren entdeckt – die sogenannten Super-Ager. Ihre Gehirne altern deutlich langsamer, und neue Studien zeigen, was hinter diesem faszinierenden Phänomen steckt.

Drei fröhliche ältere Männer lachen gemeinsam im Freien – Symbol für mentale Fitness, soziale Verbundenheit und gesundes Altern bei sogenannten Super-Agern.

Super-Ager zeigen, dass geistige Stärke und Lebensfreude auch mit über 80 möglich sind. Foto: Shutterstock

Was bedeutet Super-Aging?

Manche Menschen behalten ihr Gedächtnis bis ins hohe Alter fast unverändert. Forschende nennen sie Super-Ager. Diese außergewöhnlichen Senioren sind über 80 Jahre alt, schneiden in Gedächtnistests jedoch so gut ab wie Personen, die 20 bis 30 Jahre jünger sind. Seit über 25 Jahren untersucht die Northwestern University dieses seltene Phänomen, um zu verstehen, was das Gehirn dieser Menschen schützt.

Ziel der Forschung ist es, herauszufinden, welche biologischen und verhaltensbezogenen Faktoren dazu beitragen, den geistigen Abbau im Alter zu bremsen oder zu verhindern.

Das Super-Ager-Programm der Northwestern University

Seit dem Jahr 2000 hat das Forschungsteam rund 300 Super-Ager im Alter zwischen 80 und 90 Jahren begleitet und dabei standardisierte Gedächtnistests durchgeführt. Das zentrale Kriterium für die Einstufung als Super-Ager lautet: ein Ergebnis im Test zur verzögerten Wortwiedergabe (Delayed Recall), das mindestens dem Leistungsniveau 20 bis 30 Jahre jüngerer Erwachsener entspricht.

Die Teilnehmenden wurden regelmäßig neuropsychologisch, bildgebend und verhaltensbezogen untersucht. Von 77 Personen liegen zudem postmortale Gehirnuntersuchungen vor. Die nun veröffentlichte Übersichtsarbeit fasst alle neuropsychologischen, bildgebenden und neuropathologischen Befunde sowie die beobachteten Verhaltensmerkmale zusammen, die Super-Ager deutlich von Gleichaltrigen unterscheiden.

Was Super-Ager im Gehirn unterscheidet

In bildgebenden Untersuchungen zeigen Super-Ager in den Hirnregionen, die für Erinnerung, Entscheidungsfindung, Emotionskontrolle und Motivation verantwortlich sind, kaum die typischen altersbedingten Veränderungen. Ihr kortikales Volumen unterscheidet sich nicht von dem deutlich jüngerer Erwachsener, die 20 bis 30 Jahre jünger sind. Besonders auffällig ist der Gyrus cinguli, eine Gehirnwindung im mittleren Bereich des Großhirns: Bei Super-Agers war dieser Bereich sogar dicker als bei jüngeren, kognitiv unauffälligen Personen.

Auch die Ergebnisse aus Autopsien bestätigen diesen Befund. In den Gehirnen der Super-Ager fanden sich nur geringe oder gar keine Beta-Amyloid-Ablagerungen und Tau-Proteine, die typischerweise bei Alzheimer vorkommen. Wenn solche Ablagerungen vorhanden waren, hatten sie offenbar keine negativen Auswirkungen auf die Nervenzellen oder die Gedächtnisleistung. Die Forschenden unterscheiden deshalb zwei mögliche Wege zum Super-Aging:

  • Resistenz, bei der kaum schädliche Ablagerungen entstehen.
  • Resilienz, bei der Ablagerungen zwar auftreten, jedoch keinen erkennbaren Schaden anrichten.

Super-Ager können also entweder biologisch „geschützt“ sein oder über Mechanismen verfügen, die die negativen Effekte solcher Veränderungen kompensieren.

Zellanalysen zeigten darüber hinaus mehrere Besonderheiten:

  • Größere Neuronen im entorhinalen Kortex, einer Region, die für Gedächtnis, Navigation und Zeitwahrnehmung zentral ist.
  • Weniger entzündungsaktive Mikroglia, also Immunzellen des Gehirns, die bei Entzündungsprozessen normalerweise aktiviert werden.
  • Eine höhere Dichte sogenannter Von-Economo-Neuronen, großer Nervenzellen, die in bestimmten Arealen der Großhirnrinde vorkommen und vermutlich eine wichtige Rolle für Empathie und Selbstwahrnehmung spielen.

Verhalten und Lebensstil

Die Studie zeigt keinen typischen Lebensstil, der Super-Ager ausmacht. Einige Teilnehmende ernährten sich gesund, andere nicht. Manche rauchten. Manche tranken Alkohol. Medizinisch waren Super-Ager nicht gesünder als ihre Vergleichsgruppe.

Deutlich unterschied sich jedoch ein Verhaltensaspekt. Super-Ager berichten konsistent von hoher Geselligkeit und einer positiven Bewertung ihrer sozialen Beziehungen. Sie handeln selbstbestimmt und werden häufiger als extrovertiert beschrieben. Diese ausgeprägte soziale Einbindung passt zu früheren Beobachtungen, nach denen intensive soziale Kontakte mit geringerem kognitivem Abbau verbunden sind, während Einsamkeit das Demenzrisiko erhöht.

Fazit: Was das Phänomen Super-Aging lehrt

Die Forschung zeigt: Herausragende geistige Fitness im hohen Alter ist möglich. Super-Ager behalten ein junges Gehirn, weil bestimmte Regionen stabil bleiben und Entzündungsprozesse seltener auftreten. Entscheidend scheint neben biologischen Faktoren vor allem eine starke soziale Verbundenheit zu sein. Super-Ager leben kein einheitliches Gesundheitsideal. Sie bleiben geistig fit, weil ihr Gehirn widerstandsfähig und ihr Leben aktiv und verbunden ist.

Die Forschenden setzen ihre Arbeit fort, um die Prinzipien von Resistenz und Resilienz besser zu verstehen und Strategien zu entwickeln, wie sich die Gehirngesundheit bis ins sehr hohe Alter erhalten lässt.

Quellen anzeigen
  1. Weintraub S, Gefen T, Geula C, Mesulam M-M. The first 25 years of the Northwestern University SuperAging Program. Alzheimer’s Dement. 2025;21:e70312.
Dr. Markus Numberger, promovierter Neurowissenschaftler und medizinischen Fachautor, spezialisiert auf molekulare Neurobiologie, Komplementär- und Integrativmedizin sowie medizinische Kommunikation. Dr. rer. nat. Markus Numberger
Mit einer beeindruckenden Laufbahn, die ihn unter anderem ins Labor des Medizin-Nobelpreisträgers Bert Sakmann führte, ist Dr. Markus Numberger ein herausragender Experte in molekularer Neurobiologie. Seine wissenschaftliche Neugier und sein tiefgründiges Fachwissen, ergänzt durch Forschungsaufenthalte in den USA und an der Charité Berlin, ermöglichen es ihm, die Komplexität der Komplementär- und Integrativmedizin verständlich zu vermitteln.
Was denken Sie?
Logo von Naturheilverfahren.de mit dem Buchstaben N in Hellgrün auf weißem Hintergrund.

Natürlich gesund – Ihr Newsletter

Erhalten Sie monatlich die wichtigsten Neuigkeiten aus der Komplementär- und Integrativmedizin direkt in Ihr Postfach. Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Weitere Beiträge
Bryan Johnson und sein Sohn halten Blutproben in die Kamera – ein Sinnbild für die radikalen Methoden der Longevity-Pioniere. Der Artikel beleuchtet unterschiedliche Ansätze der Langlebigkeitsforschung und ihre wissenschaftliche Basis.

Die Longevity-Pioniere: Wer steckt hinter dem Hype um ein längeres Leben?

Die Forschung zur Langlebigkeit boomt – doch wer steckt hinter dem Trend? Von millionenschweren Biohackern über renommierte Wissenschaftler bis hin zu einflussreichen Podcastern: Diese vier Persönlichkeiten haben sich der Mission verschrieben, das Altern zu verlangsamen – mit teils spektakulären Methoden. Was steckt wirklich hinter ihren Strategien? Und was sagt die Wissenschaft dazu?
Mehr erfahren
Frische Kurkumawurzel und gemahlenes Kurkumapulver – wichtige Bestandteile der traditionellen Heilmedizin. Kurkuma ist bekannt für seine entzündungshemmenden und antioxidativen Eigenschaften, dank des Wirkstoffs Curcumin. Dieses Bild verdeutlicht die vielseitige Anwendung von Kurkuma als Gewürz und Naturheilmittel.

Kurkuma: Heilpflanze und Gewürz mit vielseitiger Wirkung

Kurkuma, auch bekannt als Gelbwurz oder gelber Ingwer, ist seit Jahrhunderten sowohl in der Küche als auch in der traditionellen Medizin beliebt. In diesem Artikel erfahren Sie alles über die heilenden Wirkungen, wissenschaftliche Studien, Vorteile und mögliche Nebenwirkungen dieser vielseitigen Heilpflanze.
Mehr erfahren
Eine Patientin erhält eine Ozontherapie von einem medizinischen Fachpersonal in einem Behandlungsraum. Die Ozontherapie, eine Form der Komplementärmedizin, wird zur Behandlung verschiedener Krankheiten eingesetzt und sollte nur von qualifiziertem Personal durchgeführt werden.

Wirkung und Nutzen der Ozontherapie: Ein umfassender Überblick

Die Anwendung von Ozongas als Therapieform in der Komplementärmedizin wurde früher aufgrund seiner instabilen Molekularstruktur mit Skepsis betrachtet. Zahlreiche Studien haben jedoch gezeigt, dass der evidenzbasierte Einsatz von Ozon, speziell im Rahmen der Ozontherapie, spezifische physiologische Wechselwirkungen auslöst, die bei der Behandlung verschiedener Krankheiten von Nutzen sein können.
Mehr erfahren