Probiotika in der Schwangerschaft: Fördern sie die Gehirnentwicklung des Babys?

Ein Probiotikum verändert die Hirnentwicklung von Mäuseföten – das zeigt eine neue Studie. Die Forschung legt nahe, dass das Mikrobiom der Mutter mehr Einfluss auf die Entwicklung des Kindes haben könnte als bisher angenommen.

Schwangere Frau trinkt probiotisches Getränk – neue Forschung untersucht möglichen Einfluss von Probiotika wie Bifidobacterium breve auf die Gehirnentwicklung des Babys.

Neue Studien an Mäusen zeigen: Probiotika wie Bifidobacterium breve könnten die neuronale Entwicklung des Ungeborenen beeinflussen – doch lässt sich das auf Menschen übertragen? Foto: Shutterstock

Was sind Probiotika und warum sind sie relevant?

Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die bei ausreichender Zufuhr gesundheitliche Vorteile bieten können – insbesondere für die Darmgesundheit. Besonders Bakterienstämme der Gattung Bifidobacterium gelten als nützlich und werden häufig in Nahrungsergänzungsmitteln oder fermentierten Lebensmitteln eingesetzt.

Während Probiotika üblicherweise mit Verdauung, Immunsystem oder Hautgesundheit in Verbindung gebracht werden, untersucht die Wissenschaft zunehmend auch ihren Einfluss auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes – über den Umweg des mütterlichen Darmmikrobioms.

In der Oktober-Ausgabe 2024 der Fachzeitschrift Molecular Metabolism wurde eine wegweisende Tierstudie veröffentlicht.1 Das Ziel der Forscher: herauszufinden, wie das Darmmikrobiom der Mutter – also ihre Zusammensetzung an Darmbakterien – die Gehirnentwicklung des Fötus beeinflussen kann. Besonders im Fokus stand dabei Bifidobacterium breve, ein häufig verwendetes Probiotikum.

Studiendesign: So wurde der Einfluss des Probiotikums untersucht

Die Untersuchung wurde an sogenannten keimfreien Mäusen durchgeführt – also Tieren, die keine eigene Darmflora besitzen. Dadurch konnten die Forschenden gezielt das Probiotikum Bifidobacterium breve in den Darm trächtiger Mäuse einbringen und seine Wirkung isoliert analysieren.

Untersucht wurden zwei Gruppen:

  • Mäuse ohne jegliche Darmbakterien (Kontrollgruppe)
  • Mäuse mit gezielter Besiedelung durch Bifidobacterium breve

Anschließend verglichen die Forschenden die Gehirnentwicklung der Föten in beiden Gruppen. Dabei analysierten sie unter anderem den Stoffwechsel im Gehirn, die Aktivität bestimmter Gene sowie die Aktivierung zentraler Signalwege, die mit Wachstum und neuronaler Entwicklung in Zusammenhang stehen.

Durch die kontrollierten Bedingungen des Modells ließen sich gezielte Effekte des Probiotikums untersuchen – Erkenntnisse, die in Studien am Menschen nur schwer zu gewinnen wären.

Ergebnisse: Veränderungen im Energiestoffwechsel und Nervensystem

Die Besiedlung des mütterlichen Darms mit Bifidobacterium breve führte zu deutlichen Stoffwechselveränderungen im Gehirn der Mäuseföten. Zu den wichtigsten Befunden zählen:

  • Erhöhte Aktivität von Transportproteinen für Glukose und bestimmte Aminosäuren im fetalen Gehirn – ein Hinweis auf eine verbesserte Nährstoffversorgung.
  • Veränderungen zentraler Stoffwechselprozesse, insbesondere bei der Funktion der Mitochondrien und im Citratzyklus, die beide eine Schlüsselrolle in der zellulären Energieversorgung spielen.
  • Verstärkte Aktivierung wachstumsrelevanter Signalwege wie PI3K-AKT und AMPK, die mit Zellwachstum, Entwicklung und Energieregulation verbunden sind.
  • Stabilisierung des Proteins HIF-2, das die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen im Gewebe steuert.

Außerdem beobachteten die Forschenden eine vermehrte Bildung von Axonen – also Nervenzellausläufern – sowie eine erhöhte Neubildung von Neuronen.

Insgesamt zeigten die Föten der Mäuse, die während der Schwangerschaft Bifidobacterium breve erhielten, signifikante Verbesserungen in ihrer Gehirnentwicklung. Die Ergebnisse legen nahe, dass das mütterliche Darmmikrobiom einen direkten Einfluss auf die neuronale Entwicklung des Embryos haben kann – zumindest im Tiermodell.

Fazit: Ein spannender Forschungsansatz mit Zukunftspotenzial

Diese Tierstudie liefert erste Hinweise darauf, dass das Darmmikrobiom trächtiger Mäuse die Gehirnentwicklung ihrer Föten positiv beeinflussen kann. Die Autoren betonen jedoch, dass weitere Untersuchungen notwendig sind, um die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen zu prüfen. Sie gehen davon aus, dass gezielte Veränderungen des mütterlichen Mikrobioms grundsätzlich das Potenzial haben, die Gesundheit und Entwicklung des Fötus zu fördern – insbesondere bei Schwangerschaften mit Wachstumsverzögerungen.

Quellen anzeigen
  1. Lopez-Tello J, Kiu R, Schofield Z, et al. Maternal gut Bifidobacterium breve modifies fetal brain metabolism in germ-free mice. Molecular Metabolism. 2024 Oct;88:102004.
Dr. Markus Numberger, promovierter Neurowissenschaftler und medizinischen Fachautor, spezialisiert auf molekulare Neurobiologie, Komplementär- und Integrativmedizin sowie medizinische Kommunikation. Dr. rer. nat. Markus Numberger
Mit einer beeindruckenden Laufbahn, die ihn unter anderem ins Labor des Medizin-Nobelpreisträgers Bert Sakmann führte, ist Dr. Markus Numberger ein herausragender Experte in molekularer Neurobiologie. Seine wissenschaftliche Neugier und sein tiefgründiges Fachwissen, ergänzt durch Forschungsaufenthalte in den USA und an der Charité Berlin, ermöglichen es ihm, die Komplexität der Komplementär- und Integrativmedizin verständlich zu vermitteln.
Was denken Sie?
Logo von Naturheilverfahren.de mit dem Buchstaben N in Hellgrün auf weißem Hintergrund.

Natürlich gesund – Ihr Newsletter

Erhalten Sie monatlich die wichtigsten Neuigkeiten aus der Komplementär- und Integrativmedizin direkt in Ihr Postfach. Abonnieren Sie unseren Newsletter.

Weitere Beiträge
Junge Frau sitzt deprimiert auf dem Boden in einem hellen Wohnzimmer. Der Artikel beschreibt, wie Probiotika als ergänzende Therapie zu Antidepressiva bei der Behandlung von Depressionen helfen können.

Studie bestätigt: Probiotika lindern depressive Symptome

Eine aktuelle Studie des King’s College London zeigt, dass Probiotika eine signifikante Rolle bei der Linderung von Depressionssymptomen spielen können, besonders bei Patienten, die nicht ausreichend auf Antidepressiva ansprechen. Diese vielversprechenden Ergebnisse könnten den Weg für neue Behandlungsansätze ebnen.
Mehr erfahren